Lauryn Youden

“My Love” a series of sonic rituals at a time of illness and death, 2021
Workshop

Samstag 29. Mai 2021

Fluxdome

“My Love” a series of sonic rituals at a time of illness and death ist eine Performance-Serie, die eine Gruppe von Leuten dazu einlädt, zusammenzukommen und sich auf die quecksilbrige Intimität des kollektiven Musikhörens einzulassen.

Am 29. Mai 2021, dem Tag der Performance, wurde Merkur rückläufig. Da Merkur der Planet der Kommunikation ist, werden bei einer Rückläufigkeit alle Methoden der Kommunikation umgekehrt, gespiegelt und es findet ein Queering von Sprache, Artikulation und Korrespondenz statt - wo sich der Dialog in einem liminalen Raum befindet und die Technologien des Herzens zu Werkzeugen der Kommunikation werden. Wo Rituale, Berührung, Bewegung, Innehalten und Zuhören das 'Wie' sind mit dem man in diesen Raum/dieser Zeit navigiert und es einen erlauben sich mit anderen zu verbinden.

Es ist eben dieser liminale Raum, in dem auch Wolfgang Amadeus Mozart um das Leben seiner totkranken zukünftigen Braut Constanze Weber betete - und das Gelübde ablegte im Gegenzug eine Messe zu komponieren. Dieses Musikstück sollte später als die "Große Messe in c-Moll, KV 427" bekannt werden. Der Akt des Komponierens eines Werkes im Austausch für das Leben und die Gesundheit eines geliebten Menschen ist ein queeres, mercuriales Ritual. Ebenso wie die hingebungsvolle Geste, den Part des Mezzosoprans in die Komposition zu integrieren - einschließlich der Soli im "Christe eleison"-Abschnitt des Kyrie-Satzes und der Arie "Et incarnatus est" - eigens damit die geachtete Mezzosopranistin Constance diesen, einmal genesen, singt.Und es ist jedes Mal eine Reinkarnation eben dieser Rituale, wenn die Messe aufgeführt wird und zu hören ist. Wir kennen diese Geschichte der Großen Messe in c-Moll, KV 427 auch durch ein weiteres queeres mercuriales Navigationsinstrument: Briefe, die zwischen Mozart und den Angehörigen seiner Familie geschrieben wurden und die dieses Werk in einer Aura der Liebe und Hingabe stehen lassen. Dieselben Briefe bestätigen, dass Constance das Werk bei der Uraufführung live gesungen hat.Sie lassen darüber hinaus anklingen, dass die Uraufführung der Messe in der Salzburger Peterskirche stattfand, da der Salzburger Dom im 18. Jahrhundert Frauen nicht erlaubte, an den musikalischen Darbietungen des Gottesdienstes teilzunehmen - was für den Zustand der Zeit spricht und wie radikal Mozarts Rituale und Kompositionen zu dieser Zeit waren.

Zu dieser Veranstaltung gehört die Arbeit I'd rather idealize romantic acts of care, then grieve the loves I have lost to compassion fatigue, 2021, die eine Liste von Fragen und Anweisungen enthält, mit denen sich auseinanderzusetzen das  Publikum während und nach der Aufführung eingeladen ist.

Die Partitur der "Großen Messe in c-Moll, KV 427" wurde im Laufe der Geschichte unzählige Male gespielt und aufgeführt, jedes Mal auf seine eigene Weise. Sie ist seit über zwei Jahrhunderten latent archiviert-ein passendes Beispiel für die Performativität von Archiven und deren Fortleben. Im Kontext von The Archive Show im E-WERK Luckenwalde, einem Projekt, das selbst auf die jahrhundertealte Sammlung von Aufzeichnungen der Institution zurückgeht, schlägt Lauryn Youdens Performance eine sehr intime Begegnung vor:eine neue Partitur, die neu aufgeführt werden soll, sowie das Enactment einer neuen, komplexen kollektiven Komposition.

Lauryn Youden, Grüner Salon, Volksbühne, 2020. Foto © Lauryn Youden

Lauryn Youden ist eine in Berlin lebende Performance- und Installationskünstlerin, Poetin und unabhängige Kuratorin. Ihre künstlerische Praxis speist sich aus der Recherche und Navigation moderner westlicher Medizin, des medizinisch-industriellen Komplexes, “alternativer” Heilpraktiken und traditioneller Medizin zur Behandlung ihrer chronischen Krankheiten und nicht sichtbaren Behinderungen. Mit der öffentlichen Präsentation ihrer persönlichen Erfahrungen und  Neubewertungen der Geschichte der Medizin, beleuchtet und befürwortet ihre Arbeit unterdrückte, marginalisierte und vergessene Pflege- und Wissenspraktiken durch eine feministische, crip queere Lupe.

2016 wurde Youden mit dem Berlin Art Prize ausgezeichnet. Auf die artist-in-residencies im Künstlerhaus Bethanien, Berlin (DE) 2020 folgen 2021 weitere residencies in Rupert, Vilnius (LT) und im Wysing Arts Centre, Cambridge (UK). Youden hat in internationalen Institutionen performt und ausgestellt, so beispielsweise im : Shedhalle, Zürich (CH), Stedelijk Museum, Amsterdam (NL), Frye Art Museum, Seattle (US), Volksbühne, Berlin (DE), Württembergischer Kunstverein, Stuttgart (DE). Zur Zeit ist ihre Arbeit im Aargauer Kunsthaus, Aarau (CH), als Teil der Kosmos Emma Kunz Ausstellung zu sehen: Eine Visionärin im Dialog mit zeitgenössischer Kunst.

Die Performance von Lauryn Youden ist Teil von Kanadas Kulturprogramm als Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 2020/21 und wird unterstützt durch die Botschaft von Kanada.

www.laurynyouden.net

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